Mittwoch, 14. April 2010

Gott oder Götter?

Gott oder Götter?
Von Walter-Jörg Langbein Berichte / Startseite


Der wahrscheinlich bekannteste Satz der Bibel lautet: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ So beginnt das Alte Testament. Wenig später (1. Buch Mose Kapitel 1, Vers 26): „Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen...“ Uns? Warum spricht Gott in der Mehrzahl? Lesen wir den Schöpfungsbericht im Hebräischen, so stellen wir fest, dass dieses „uns“ keineswegs der einzige Hinweis auf Götter in der Mehrzahlform ist. Der Gott, der im deutschen Text am Anfang Himmel und Erde schuf, verwandelt sich im Hebräischen zum Mehrzahlwort: Elohim. Das „Jerusalemer Bibellexikon“  versucht zu klären – und führt den Begriff der „majestätischen Mehrzahl Elohim“ ein. Ist damit das Problem „Gott oder Götter“ gelöst? Spricht also Gott (Einzahl) „Lasset uns Menschen machen...“, weil er den Pluralis Majestatis anwendet? War die Mehrzahlform, die europäische Könige und Kaiser angewendet haben, um sich vom niederen Volk zu unterscheiden, bereits im Alten Israel bekannt? Eine wortwörtliche Übersetzung aus dem Hebräischen scheint diese Überlegung zu bestätigen: „Am Anfang schuf Elohim Himmel und Erde.“
Szenen aus 
dem Garten EdenElohim heißt wörtlich  „Götter“, also Mehrzahl. Buchstaben getreu übersetzt: „Am Anfang schuf Götter Himmel und Erde.“ Das Subjekt steht in der Mehrzahl, das Tätigkeitswort aber in der Einzahl. Damit liegt aber kein klassischer Pluralis Majestatis vor, denn da stehen Subjekt (Hauptwort) und Tätigkeitswort beide im Plural. Wir erlassen ein Gesetz, spricht der König. Wir und erlassen sind beides im Plural.
Jüdischer und christlicher Glaube sind beides streng monotheistische Religionen. Doch während das Christentum (wie auch das heutige Judentum) nur an einen alleinigen Gott glaubt und die Existenz weiterer Götter verneint, war das im Judentum des Alten Testaments anders. Die religiösen Gebote verneinen keineswegs die Existenz anderer Götter. Wer an den neuen Gott Jahwe glaubt, darf allerdings keine weiteren Götter verehren. 2. Buch Mose Kapitel 20, Vers 3: „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“ Verboten ist auch die Herstellung von Bildnissen anderer Götter (2. Buch Mose Kapitel 20, Vers 23). Fremde Götter dürfen auch nicht angefleht werden (2. Buch Mose Kapitel 23, Vers 13): „Aber die Namen anderer Götter sollt ihr nicht anrufen, und aus euerem Munde sollen sie nicht gehört werden!“ Fremde Götter dürfen nicht angebetet werden. Rabiater noch (2. Buch Mose Kapitel 23, Vers 24): „Du sollst ihre Steinmale umreißen und zerbrechen!“
Die Existenz von Göttern wird im Alten Testament nicht geleugnet. Jahwe verbietet aber jeden fremden Götterkult. Sie sollen vergessen werden, ihre Namen dürfen nicht mehr ausgesprochen werden, ihre Statuen sollen zerstört werden. Jahwe beansprucht für sich allein Verehrung und Gebet. Wie aber heißen jene fremden Götter, die vom jüdischen Volk nicht mehr verehrt werden durften – wenn sie nicht namentlich genannt werden? Elohim.
I. Buch Mose Kapitel 1, Vers 1: Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.
II. Buch Mose Kapitel 20, Vers 3: Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.
In beiden Versen steht für Gott und Götter ein und derselbe hebräische Mehrzahlbegriff: Elohim. Die verbotenen Götter – Elohim. Wer schuf  Himmel und Erde? Elohim.
Noch zu Zeiten des streng monotheistischen Jahwekults wurden im Heiligen Land auch andere Götter verehrt. Es gab mächtige Konkurrenz. Zum Beispiel: Baal. Prophet Elia kämpfte gegen den Baalskult. Baals-Tempel wurden immer wieder von Jahweanhängern zerstört, von Baal-Gläubigen neu errichtet, um von der Jahwe-Konkurrenz wieder zerstört zu werden. Schließlich absorbierte der Jahwekult Baal.  Ursprünglich war es Gott Baal, der „am Himmel daherfährt“ oder der „auf den Wolken reitet“. Derlei Baalsnamen wurden im monotheistischen Judentum  einfach auf Jahwe übertragen.  Wenn man schon nicht Baal aus den Köpfen der Menschen vertreiben konnte, so ließ man ihn mit Jahwe verschmelzen.
Gott oder Götter? Diese Frage ist leicht zu beantworten: Ursprünglich glaubte man an viele Götter. Nach und nach setzte sich der Eingottglaube durch. Jahwe besiegte Konkurrenten wie Baal, indem seine Anhänger Baal und Jahwe miteinander verschmolzen. Die Spuren des Vielgottglaubens sind im Alten Testament nicht zu übersehen. An den alten Vielgottglauben erinnern auch die Elohim. Geschickt setzte man die Mehrzahlbezeichnung Elohim (Götter) mit dem monotheitsichen Gott gleich. Der Göttername blieb und mit ihm die Erinnerung an polytheistische Zeiten.